Wie einige aus meinem naeheren Bekanntenkreis wissen, war ich einige Zeit lang recht unglücklich. Die Frage, die ich mir dabei taeglich stelle ist… Wie werde ich gluecklich? Was macht einen gluecklich?
Ich habe seit Jahren immer ein bestimmtes Hausmittel, wenn ich mich depressiv fuehle. Ich hoere Musik. Und zwar eine ganz bestimmte Art von Musik. Musik mit denen ich bestimmte Erinnerungen verknuepfe. Ich hoer mir selbst Lieder an, die ich nicht mag oder einfach nur grottig finde. Wer will schon „Looking for freedom“ oder Modern Talking hoeren. Aber… Es hat den Erfolg, das man sich wieder in die Zeit zurueckerinnert, in der man wieder jung war, als man das Lied zum ersten Mal gehoert hat. Zu Zeiten, wo man gluecklicher war. Klar, man kann sich drueber streiten, ob eine Folge Knight Rider im Fernsehen heutzutage noch mit einer Folge von Lost oder House aufnehmen koennte. Aber damals war man noch klein und hat sich ueber jedes springende Auto gefreut. Oder das erste Mal, als ich in einer Disko angefangen habe zu tanzen bei „Fade to Grey“, als ich 2000 zum ersten Mal ueberhaupt in einer Disko war… umrundet von lauter sehr gutaussehden Frauen… 🙂
Heute denke ich mir, es muss noch mehr Dinge geben, die einen gluecklich machen. Klar, Geld und Erfolg im Beruf ist nicht alles. Uberhaupt einen klaren, freien Kopf zu haben, der nicht immer abgelenkt wird durch irgendwelche komischen Gedanken. Und so habe ich mir dieses Buch von Dr. Eckart von Hirschhausen gekauft. Ich habe ihn vor ein paar Jahren mal live auf einem SR Gesellschaftsabend zum ersten Mal gesehen und fand ihn damals schon recht gut. Mittlerweile hat er sich zu einem gluecklichmachenden Comedian entwickelt, der sich viele Gedanken gemacht hat, wie er andere Menschen zu einem gluecklichen Leben verhelfen kann. Also habe ich mir gedacht, bevor du nach Israel fliegst, kauf dir das Buch mal. Nun, ich sass waehrend meiner Fahrt im Zug neben meinem Chef (wir sind in einer groesseren Gruppe geflogen) und er streifte nur ueber den Buchdeckel und brachte nur einen schnippigen Kommentar ueber die Lippen: „Ach, Glueck. Das kann man eh nicht schaffen“. Oder so aehnlich. Nichtsdestotrotz habe ich mich durch das Buch gelesen. Und an einigen Stellen dachte ich. Der Mann schreibt fuer mich. In einem kleinen Artikel schrieb er ueber Digitalfotografie. Digitale Fotos empfand er als positive Sache, weil es im Vergleich zu analogen Fotos keine Negative gibt. Ich war gewillt, diesen Spruch meinem Sitznachbar zu zeigen, entschied mich aber dagegen und las weiter. Und an der Stelle macht es klick. In unserer Gruppe sind wir sehr stolz darauf, dass wir Bilder aus einer Minderzahl an ausgewaehlten Bildpunkten ein Bild fast exakt rekonstruieren koennen. Das ist verdammt cool und sieht verdammt toll aus. Aber… es gibt leider keinen Inpainting-Prozess, der das Gefuehl exakt rekonstruieren kann, was man empfunden hat, als man 2 Bilder hintereinander geschossen hat. Dieser Sonnenuntergang, den man gerade fotografiert, ist faszinierend, kann aber nicht das Gefuehl beschreiben, das man gerade hat. Es ist angenehm warm, hat eine leichte Brise. Man ist entspannt. Man ist ruhig. Man ist zufrieden. Man ist aufgeregt, weil man gleich nach Hause fliegt und diesen tollen Ort verlaesst. Auf der Speicherkarte werden allerdings nur die visuellen Dinge aufgenommen. Nicht jedoch die Gefuehle, und diese Erinnerungen verblassen leider am schnellsten…
Ich habe eben auf einer Bank gesessen und das Buch weitergelesen, waehrend ich jetzt auf den Zeitpunkt warte, wo ich nach Hause fliege. Ich habe einige Stunden am Strand gesessen und habe mir dabei auch die Umgebung angeschaut. Und ich habe mir die Gesichter angeschaut, die an mir vorbeigelaufen, vorbeigejoggt oder vorbeigefahren sind. Und ich habe ehrlich gesagt kaum deprimierte Gesichter gesehen. Im Gegenteil, an einer Stelle setzte sich eine alte Dame mit ihrem Hund neben mich. Sie streichelte ihren Hund und genoss die untergehende Sonne. Sie war sehr alt, ich schaetzte sie bestimmt aelter als 80 ein. Nach einiger Zeit kam ihr Mann vorbei, mit einer Kippa auf dem Kopf und einer Tuete von McDonalds in der Hand. Und so sassen beide da, gluecklich, ohne ein Wort miteinander zu sprechen, schauten sich beide den fantastischen Sonnenuntergang an und assen genuesslich ein paar Pommes und einen Chickenburger.
Und in dem Augenblick wurde es mir klar. Diese Menschen hatten in ihrem Leben bestimmt viel mehr schlimme Sachen erlebt als ich. Jahre der Verfolgung. Jahre der Kriege. Jahre des Todes. Sie haben erlebt. Sie sind bestimmt durch die Hoelle gegangen. Mehrfach. Und sie sind gluecklich und zufrieden. Klar, in diesem Teil der Erde kann man immer froh sein, wenn grad nicht eine Bombe neben einem hochgeht. Oder ein durchgeknallter Machthaber einen von der Landkarte werfen will. Theoretisch wuerde ich sofort depressiv werden, wenn mir einer eine Pistole setzen wuerde. Diese Menschen haben aber dauerhaft eine Pistole am Kopf und sind trotzdem gluecklich. (Also ich stelle mal die Vermutung auf, dass sie gluecklich waren 🙂 ) Und was ist mit mir? Ich werde depressiv, wenn ein mathematisches Modell und die dazu passende Implementierung nicht funktioniert. Klar. Ein Wohlstandsproblem. Empirisch kann gezeigt werden, dass in Kriegszeiten die Anzahl von psychologischen Stoerungen wie Depressionen abnimmt. Natuerlich gilt dann natuerlich nicht der Umkehrschluss, dass man so viele Kriege wie nur moeglich fuehren sollte, damit man gluecklich ist. Vielmehr sollte man anfangen, dafuer gluecklich sein, was man erreicht hat im Leben, dass man anderen Menschen ein Laecheln ins Gesicht zaubern konnte. Das war schon zu Schulzeiten so gewesen und ich habe dieses Credo in den vergangenen Jahren etwas schleifen lassen. Vielleicht sollte ich in Zukunft diesem Credo staerker folgen. Denn irgendwann moechte ich auch einmal auf einer Bank sitzen, mit einer tollen Frau an meiner Seite und den Sonnenuntergang mit einem McDonalds Burger geniessen…
Und hier der passende Begriff dazu: Kohärenzgefühl, geprägt durch die Salutogenese-Theorie von Antonovsky: Das Kohärenzgefühl gilt als zentraler Bestandteil im Konzept der Salutogenese. Antonovsky definiert dieses als „eine globale Orientierung […], die das Maß ausdrückt, in dem man ein durchdringendes, andauerndes aber dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, daß die eigene interne und externe Umwelt vorhersagbar ist und daß es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, daß sich die Dinge so entwickeln werden, wie vernünftigerweise erwartet werden kann“ (Antonovsky 1997, S.16). Laut Antonovsky verfügt jeder Mensch über ein Kohärenzgefühl (engl. Sense of coherence = SOC). Es soll im Kinder- und Jugendalter gebildet werden… Weiterlesen »